I'll Be Your Mirror

Johanna Faust, Schweiz, 2019o

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Johanna Faust will sich im Ausland der Kunst widmen und dafür ihre Familie vorübergehend verlassen. Doch plötzlich beginnt sie an ihrem Plan zu zweifeln und erkennt bei den Frauen ihrer Familie wiederkehrende Muster: Alle trugen den Wunsch nach Unabhängigkeit und künstlerischem Ausdruck in sich und kämpften mit der schwierigen Frage, wie sich Selbstverwirklichung und Familie vereinen lassen.

Gerade weil der Film nicht gewohnten Sehmustern folgt und weil die Künstlerin Johanna Faust einen radikalen Seelenstriptease vorführt, ist der Film aussergewöhnlich sehenswert. Der schonungslose Umgang mit ihrer eigenen Mutter und der unorthodoxen Art über Mutterschaft nachzudenken, mag gewöhnungsbedürftig sein, ist aber gerade eine Stärke des Films. Für mich einer der mutigsten und radikalsten Filme am Zurich Film Festival 2020.

Felix Schenker

Die 1973 geborene Basler Künstlerin betreibt in ihrem Erstling eine familiäre Spurensuche in erster Person. Die Mutter dreier Kinder stellt als Ausgangspunkt ihres radikal ehrlichen Films die Frage, ob sie für die künstlerische Tätigkeit ihre Familie für längere Zeit verlassen könne, und stösst dabei auf die Geschichten ihrer Mutter und ihrer Grossmutter – und ­wiederum deren Mutter – in den USA. Je mehr sie erkennt, dass sich in diesen Biografien ihre eigene Geschichte spiegelt, findet sie schliesslich zu einer Entscheidung über ihr eigenes zukünftiges Leben.

Geri Krebs

Le premier long-métrage de l’artiste et réalisatrice suisse Johanna Faust parle de la maternité sous un angle inédit, honnête et courageux.

Muriel Del Don

Galerieo

WOZ, 05.05.2021
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BZ Basel, 06.05.2021
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Tages-Anzeiger, 02.05.2021
«Wenn ihr gross seid, bin ich dann weg»

Zum Start ihres Filmdebüts «I’ll be your mirror» spricht die Schweizerin Johanna Faust über vererbte Traumata, Mutterschaft und die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern.

Von Marah Rikli

Manchmal möchte ich am liebsten meine Koffer packen, meine Kinder an die Hand nehmen und in ein Bauernhaus ins Engadin ziehen – einer Sehnsucht folgen, von der ich nur bedingt weiss, woher sie stammt. Ich habe dann das Gefühl dort in den Bergen etwas zu finden, was mich glücklicher macht als das Leben hier in der Stadt. Meistens bleibe ich dann einfach wo ich bin und das Gefühl verfliegt wieder.

Die Gründe für meine Sehnsucht könnten meine Prägung und meine Gene sein, vielleicht durchbreche ich mit dem Aushalten des Gefühls und damit, dass ich nicht weggehe, bereits ein Familienmuster. Denn auch meiner Mutter hatte den Drang wegzugehen. Sie jedoch packte die Koffer wirklich und nahm dabei uns Kinder an die Hand. Wir zogen von Ort zu Ort, in grosse Riegelhäuser mit grossen Gärten in abgelegene Dörfer. Sie folgte einem innerlichen Drang. Vermutlich wusste auch sie nicht genau, woher das Gefühl kam. Vielleicht hatte es bereits meine Grossmutter oder meine Urgrossmutter.

Forschungen der Epigenetik zeigen, dass wir viel mehr von unseren Vorfahren übernehmen, als uns lieb ist. Das beschäftigt auch Johanna Faust, Künstlerin, Mutter und Filmemacherin. Ihre eigene Mutter und auch deren Mutter – Johannas Grossmutter – wurden als Kind von ihren Müttern verlassen. Als Johanna die Chance erhält, für ein Jahr nach Oxford zu gehen und ihren Master zu machen, geht auch sie beinahe für ein Jahr weg von ihren Kindern. Alles ist organisiert, ihr Mann einverstanden, doch dann holen sie die vagen Erinnerungen an die Erzählungen ihrer Mutter ein.

Johanna Faust begibt sich mit der Kamera auf die Suche nach einem Familienmuster, nach ihrer eigenen Prägung. Dabei entdeckt sie Verborgenes und Traumata, die über Generationen weitergegeben wurden. Entstanden ist dabei ihr Filmdebut «I’ll be your mirror» – ein berührender, versöhnlicher und ehrlicher Film, der Tabus aufbricht. Ich habe die Filmemacherin zum Onlinegespräch getroffen.

Dein Film steigt ein mit einer Szene mit deinen beiden Buben, die du so kommentierst: «Ich liege am Boden und fühle mich leer.» Warum fühltest du dich so?

Johanna Faust: Das wusste ich zuerst auch nicht. Ich wusste einfach, dass sich mein Alltag mit den Buben plötzlich isoliert anfühlte. Wenn ich versuchte, darüber zu reden, sagte man mir, das sei vermutlich eine Depression. Doch das war es nicht. Mir ging es grundsätzlich gut. Ich hatte einfach diese Anflüge von Leere und dann ging es wieder weg.

Fehlte dir dein Beruf?

Ich hatte mich zwar bewusst entschieden, mit Mitte Dreissig, 14 Jahre nach meinem ersten Kind, nochmals Mutter zu werden. Und es war klar, mein Partner studiert, wenn sie klein sind. Doch ja, ich hatte unterschätzt, wie sehr mir meine Kunst fehlen wird.

Ist es denn als Künstlerin schwierig, den Beruf mit den Kindern zu vereinbaren?

Vereinbarkeit ist ja sowieso schon nicht einfach und wenn du noch einen Beruf ausübst, der viel Raum und Zeit erfordert – eine Vorlauf- und eine Nachlaufzeit braucht – dann ist es vermutlich noch schwieriger. Dazu kam: Wenn ich gedanklich in einem Prozess bin, bin ich innerlich absorbiert. Kinder spüren das. Meine begannen dann zu streiten oder wurden fordernd, trotzig und quengelig. Und dann kam das schlechte Gewissen: Weil ich nicht richtig «da» war und ich ja wusste, sie bräuchten mich jetzt. Und ich mich verantwortlich fühlte für sie – schliesslich liebe ich sie ja.

Dann merktest du, du musst etwas ändern?

Ich habe dann an den Citizen Art Days in Berlin teilgenommen, wo wir damals lebten. Ich merkte sofort: Das ist es. Das will ich tun. Die Künstlerin selbst faszinierte und inspirierte mich sehr. Sie lud mich nach Oxford ein, da sie dort Dozentin ist. Wir klärten dann ab, als Familie in Oxford zu leben, doch wir merkten schnell: Das geht finanziell nicht, es war zu teuer.

Dann bot dir dein Partner an, dass du alleine gehen könntest?

Ja. Er sagte, wir könnten uns ja alle gegenseitig besuchen und an den Wochenenden sehen. Ich war mir sicher, das ist das Richtige. Bis andere Mütter in meinem Umfeld mein Vorhaben in Frage stellten und mich dafür verurteilten. Dann kamen bei mir Zweifel über meine Pläne auf.

Warum?

Erst verstand ich nicht, warum die Fragen und Bedenken bei den Vätern so nicht gestellt werden. Irgendwann dachte ich aber auch, mit mir sei etwas falsch, da ich nicht so fühlte wie diese Mütter. Ich wollte mir selbst auf den Grund gehen mit der Frage, warum ich kein Problem darin sah, wegzugehen.

So kam die Idee zum Film auf?

Ich erinnerte mich, dass meine Mutter mir erzählte, dass ihre Mutter sie verliess, als sie klein war. Damals hatte ich noch den Anspruch an mich selbst, das Muttersein müsse mich erfüllen. Mit dem Film wollte ich mehr darüber herausfinden, warum ich es eben nicht erfüllend fand, nur Mutter zu sein und ob das mit meiner Prägung zu tun hat. Die Recherche für den Film war für mich sehr klärend.

Inwiefern?

Mein Mutterbild ist geprägt von Frauen, die ohne Kompromisse ihren Weg gingen. Meine Grossmutter verliess meine Mutter als sie sehr klein war, um sich ihrer Selbstverwirklichung zu widmen und gab meine Mutter zu einer Erzieherin. Aber auch schon meine Grossmutter wurde von ihrer Mutter, also meiner Urgrossmutter weggegeben. Ich entdeckte also ein Muster.

Deine Mutter gab euch zwar nicht weg, war jedoch dauernd auf dem Absprung.

«Wenn ihr dann gross seid, geh ich nach Amerika», sagte sie oft. Oder: «Wenn ihr gross seid, bin ich dann weg». Das prägte mich enorm. Muttersein ist etwas, worauf man wartet, dass es vorbei geht, lernte ich so. Das erklärte für mich vieles.

Wolltest du es denn anders machen als deine Mutter?

Ja sicher! Deshalb hatte ich wohl auch die hohen Ansprüche an mich selbst. Ich wollte es zwar total anders als meine Mutter machen, nicht auf dem Absprung sein und doch konnte ich dann nicht anders. Mich holten wohl ähnliche Gefühle ein wie meine Mutter, Grossmutter und Urgrossmutter.

Und heute? Konntest du das Muster durchbrechen?

Den Film zu machen, war für mich sehr wichtig. Das Kennen des Musters hilft mir jetzt. Ich bin eher versöhnt, nehme das Muster an und versuche manchmal ganz bewusst nicht dasselbe zu machen wie meine Mutter. An meiner Tochter wird sich dann wohl zeigen, falls sie jemals Mutter wird, ob sich etwas nachhaltig ändert.

Warum beschäftigt dich auch das Thema Traumaforschung?

Es ist sehr spannend, wie die transgenerationale Weitergabe von Traumata uns prägen können. Unter Umständen macht man dann eben etwas, was man nicht nachvollziehen kann oder fühlt etwas, was man nicht erklären kann. Es gibt mittlerweile grosse Forschungsprojekte dazu.

Hattest du sonst noch Erkenntnisse dank deines Films?

Ich bin heute überzeugt, meine Kinder spüren, ob ich ehrlich bin mit ihnen und mir. Wenn ich mich in eine Rolle zwinge und frustriert bin beispielsweise. Unsere Mutter hat Versuche gestartet, auszuwandern. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie es gemacht hätte. Stattdessen blieb sie auf dem Absprung, in einer Unruhe, in einer Frustration.

Was wäre denn anders gewesen, hätte sie es gemacht?

Ich hätte sie vielleicht als Vorbild gesehen. Wie sie als Frau und Mutter Entscheidungen trifft, die für sie selbst gut sind.

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yourmirror.ch, 20.06.2021
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cineuropa, 01.10.2019
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Gespräch zum Film
/ Kosmos
de / 20.06.2021 / 57‘02‘‘

Filmdateno

Genre
Dokumentarfilm
Länge
91 Min.
Originalsprachen
Englisch, Schweizerdeutsch, Spanisch
Bewertungen
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Cinefile-User:
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KritikerInnen:
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