Das freiwillige Jahr
Ulrich Köhler, Henner Winckler, 2019o
Ein Arzt erzieht seine Tochter Jette allein und pflegt zugleich seinen alkoholkranken Bruder Falk. Da er damals in dem Dorf hängen blieb und seine Träume nicht verwirklichen konnte, wünscht er sich für seine Tochter ein besseres Leben. Doch Jette will selbst entscheiden, wie sie ihre Zukunft gestaltet. Entgegen der Vorstellung ihres Vaters, ein freiwilliges soziales Jahr in Südamerika zu machen, bleibt sie ebenfalls in der Provinz bei ihrer Jugendliebe Mario hängen. Als der Vater das herausfindet, kommt es zur Konfrontation.
Ein deutsches Trauerspiel für das 21. Jahrhundert: Tochter Jette (Maj-Britt Klenke) will ein freiwilliges soziales Jahr in Costa Rica antreten, aber verpasst nicht ganz zufällig ihren Flug. Der Traum von Costa Rica ist auch gar nicht ihrer, sondern der ihres Vater Urs (Sebastian Rudolph), der als Arzt auf dem Land nicht glücklich ist und der Tochter seine eigenen Ausbruchsfantasien aufzwingt. Wer cinephilen Außerirdischen etwas über Deutschland erzählen wollte, seine Provinz und das deutsche Bildungsbürgertum mit seinen liberalen Ansichten und seinem oft autoritärem Tun, könnte ihnen den Film von Ulrich Köhler und Henner Winckler vorführen. Alles wirkt vertraut und gleichzeitig bedrohlich; an jedem Kreisverkehr befürchtet man eine Katastrophe.
Martina KnobenUrs im Ausnahmezustand – wie ein Tier in der Falle: verraten von seiner heranwachsenden Tochter, verletzt von einem Bruder, der ihn vielleicht nicht mehr braucht und verunsichert über eine Liebe, die neuen Raum in seinem Leben beansprucht. Das zeitgenössische Drama über einen Mann, der in den Fängen der Zeit steckt, weiss allein das Kino wirkungsvoll umzusetzen, indem es die Flucht einer Teenagerin vor ihrem Vater zu einem Tanz macht.
Daniela Persico