Tscharniblues II

Aron Nick, Schweiz, 2019o

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1979, Hochhaussiedlung Tscharnergut: Eine Gruppe Männer um die zwanzig drehten den wilden und idealistischen Super8-Film Dr Tscharniblues – ein ungeschminktes Selbstporträt, quasi ein Ur-Selfie ihrer Generation. Fast vierzig Jahre später versammelt der Regisseur die Freunde wieder im Tscharnergut und geht der Frage nach, was aus ihnen und ihren Idealen geworden ist. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verweben sich zu einer Reise mit persönlichen Abgründen, Hoffnungen und der Suche nach Identität.

Was ist aus den Träumen von damals geworden? Und was hat das Leben mit den Tscharni-Giele gemacht? Diese Fragen stellt der Berner Regisseur Aron Nick den Protagonisten von damals. Sein Dokumentarfilm ist das intime Vorher-Nachher-Bild einer Generation -- und vor allem: eine Hymne an die Freundschaft.

Regula Fuchs

Tscharniblues II ist ein leises Fest des Abschieds, der Trauer, des Rückblicks. Aber eben nicht nur. Der Film ist gleichzeitig eine Feier der Freundschaft. Vor allem aber umkreist er eine vage Idee der Freunde, die sich dabei immer mehr verfestigt: Die Forderung nach einem „Recht zum Scheitern“, die in punkigeren Zeiten noch trotzig wirkte, wird, verknüpft mit der Rückschau und der Frage danach, woran Scheitern zu messen wäre, wieder zum Ausdruck eines hochaktuellen Lebensgefühls.

Michael Sennhauser

Galerieo

sennhausersfilmblog.ch, 23.01.2019
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Der Bund, 03.04.2019
© Alle Rechte vorbehalten Der Bund. Zur Verfügung gestellt von Der Bund Archiv
Tages-Anzeiger, 23.01.2019
Die Ideale haben überlebt – sie sind nun denkmalgeschützt

Tag 1: «Tscharniblues II» eröffnet die 54. Solothurner Filmtage.

Von Pascal Blum

Ende der 50er-Jahre wurde in Bern-Bethlehem das grösste Wohnbauprojekt der Schweiz in Angriff genommen: die Hochhaussiedlung Tscharnergut, genannt «Tscharni». Es muss gewesen sein, als sei die Moderne aus dem Boden geschossen und habe eine rechteckige Form ­angenommen. Regisseur Aron Nick nennt die Siedlung in seinem Dokumentarfilm «Tscharniblues II» ein «Versprechen»: drei Zimmer, Balkon, Fernseher und für jeden einen Parkplatz.

Der Film eröffnete die Solothurner Filmtage, und das passt: Hier lief 1980 «Dr Tscharniblues». Es war eine freie Träumerei in Super-8, gedreht von Nicks Vater Bernhard, seinem Onkel Bruno, dem Götti Ribi und den Freunden – dem Eggi, dem Yves und dem Stüfi, aus dem später dann der bekannte Schauspieler Stefan Kurt wurde. Sie rannten geschminkt über die Wiese, es war die Zeit von «Züri brännt» und «Reisender Krieger», und die Schweiz war ein ­enges Land, in dem man an ­vielen Orten den Rasen nicht ­betreten durfte.

Waren die Eltern wilder?

Was ist aus den Träumen geworden? Der Sohn versammelt die Freunde von damals noch einmal im Tscharnergut. Onkel Bruno fehlt; der Künstler, der damals scharfsichtige Gesellschaftsanalysen betrieb, ist 2014 gestorben. Der Ribi und der Yves arbeiten als Schulleiter und Französischlehrer. Christoph Eggimann, dem Eggi, merkt man das grosse Herz an, aber auch die Einsamkeit.

In seinem Erstling stellt der 1984 geborene Aron Nick die Frage, ob seine Elterngeneration nicht eigentlich wilder und idealistischer gelebt hat, weniger getrieben von Perfektionswahn und Selbstoptimierung. Ein Teil der Antwort lautet, dass es zu der Zeit, als die Männer ihre Quatschvideos drehten, einen feindlichen Block gab: die illiberale Gesellschaft. Eine andere Erklärung ist, dass der kreative Ausbruch auch ein Nährboden war für die Zeit der Instagram-Filter.

Aber das sind so die grossen Linien, und unter den Freunden spielt sich vieles im Kleinen ab. Denn das haben sie sich damals wohl nie erträumt: dass einer ihrer Söhne sie einmal dabei filmen würde, wie sie im höheren mittleren Alter verknorzte Männerdiskussionen übers Scheitern führen. Gespräche über Verbürgerlichung und Resignation und die Beharrlichkeit der Ideale, denen man ja irgendwie noch immer anhänge. Und über die Frage, wie gross der Anteil der eigenen Verantwortung beim Misserfolg wohl sein muss. Furchtbar erwachsene Fragen halt.

«Tscharniblues II» ist indirekt – und zwischendurch auch ungewollt – ein Porträt der jungen Generation, die gar nicht mehr zu reflektieren scheint, wieso sie ständig nach dem Erfolg fragt, den jemand hat oder eben nicht. Aron Nick behält aber vor allem den Blick für die unaufhaltsame Tragikomödie des Lebens, die sich nicht nur im Tscharnergut abspielt. Es wird viel gelacht und geweint; man lacht und weint mit, manchmal reicht ein Lied von Mani Matter.

Und vielleicht ist es mit den Idealen so wie mit der Betoneisenbahn in der Siedlung, die seit jeher auf dem Spielplatz steht. Dieser wurde zwar erneuert, aber die Eisenbahn ist noch immer da, denkmalgeschützt. Wie ein Versprechen auf freies Spiel. Aber für immer bewahrt.

© Alle Rechte vorbehalten Tages-Anzeiger. Zur Verfügung gestellt von Tages-Anzeiger Archiv
SRF, 24.01.2019
© Alle Rechte vorbehalten SRF. Zur Verfügung gestellt von SRF Archiv
der-andere-film.ch, 20.02.2019
© Alle Rechte vorbehalten der-andere-film.ch. Zur Verfügung gestellt von der-andere-film.ch Archiv
Interview mit Protagonist Christoph Eggimann
/ Basler Zeitung
de / 12.02.2019 / 9‘42‘‘

Bericht zur Eröffnung der Solothurner Filmtage mit Tscharniblues II
/ jumpTelevision
de / 24.01.2019 / 11‘17‘‘

Filmdateno

Genre
Dokumentarfilm
Länge
84 Min.
Originalsprache
Schweizerdeutsch
Bewertungen
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ØIhre Bewertung8.0/10
IMDB-User:
8.0 (12)
Cinefile-User:
< 10 Stimmen
KritikerInnen:
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Cast & Crewo

Bernhard NickHimself
Christoph EggimannHimself
Stefan KurtHimself
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Bonuso

iGefilmt
Interview mit Protagonist Christoph Eggimann
Basler Zeitung, de , 9‘42‘‘
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Bericht zur Eröffnung der Solothurner Filmtage mit Tscharniblues II
jumpTelevision, de , 11‘17‘‘
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gGeschrieben
Besprechung sennhausersfilmblog.ch
Michael Sennhauser
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Besprechung Der Bund
Regula Fuchs
s
Besprechung Tages-Anzeiger
Pascal Blum
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Hintergrundbericht zum Film
SRF / Sandra Steffan
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Anmerkungen von Regisseur Aron Nick
der-andere-film.ch / nn
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