Shoplifters

Hirokazu Koreeda, Japan, 2018o

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Ein kleinkriminelles Paar und sein Pflegsohn treffen nach einer Diebestour durch Quartierläden auf ein dreijähriges Mädchen in der Kälte und nehmen es in ihre Patchwork-Familie auf, die durch eine dubiose Grossmutter komplettiert wird. Gerade als sich die familiären Bindungen allmählich festigen, zeigt ein Todesfall das prekäre Gefüge in neuem Licht und stellt es auf eine harte Probe.

Der Japaner Hirokazu Koreeda ist seit mehr als zwanzig Jahren ein Fixstern am Autorenfilm-Firmament. Seine Filme über fragile familiäre Bindungen vereinen Feingefühl mit vermeintlicher Schlichtheit, in der sich erzählerisches Raffinement und vertrackte moralische Fragen auftun. Shoplifters ist ein Paradebeispiel seiner subtilen Kunst und seit Nobody Knows vielleicht sein schönster Film überhaupt. Quasi zweimal passieren die Kniffe und Konflikte einer schlaumeierischen Familie Revue: Einmal sehen wir sie mit eigenen Augen, dann noch einmal mit den Augen der Justiz und Öffentlichkeit. Dabei zeigt sich die menschliche Richtigkeit im rechtlich falschen Leben ebenso wie das falsche im rechtlich richtigen. Humor und Tiefsinn durchdringen sich so selbstverständlich wie in den grossen Filmen des italienischen Neorealismus, die hier Pate standen. Unwiderstehlich.

Andreas Furler

Ein wunderbarer (und politischer) Film über die Schönheit selbst gewählter Bindungen ohne Blutsbande, die noch bis in ihre unvermeidliche Auflösung hineinragt.

Philipp Stadelmaier

Immer siehts aus und scheints in dieser Erzählung, als sei etwas – bevor es dann ganz anders ist. Das aber macht den Zauber und das Geheimnis von Kore-edas Film aus. Sozusagen: die fein gesponnene realistische Poesie. Palme d’Or in Cannes.

Christoph Schneider

A mesure que Kore-eda détricote les apparences qu’il nous a d’abord fait admettre et aimer, c’est l’aspect le plus douloureux, le plus poignant de son cinéma qui gagne la surface, achevant de faire de cette œuvre bouleversante l’un de ses meilleurs films.

Cécile Mury

Malgré la banalité de son titre français, le nouveau film de Kore-eda n’est pas qu’une énième histoire de famille. C’est l’occasion pour lui de creuser un terreau sociétal auquel il s’était peu frotté, et de le faire avec la finesse qu’on lui connaît. Un coup de cœur.

Julien Dugois

Galerieo

Filmexplorer, 15.12.2018
© Alle Rechte vorbehalten Filmexplorer. Zur Verfügung gestellt von Filmexplorer Archiv
25.12.2018
© Alle Rechte vorbehalten Süddeutsche Zeitung. Zur Verfügung gestellt von Süddeutsche Zeitung Archiv
Tages-Anzeiger, 12.12.2018
Die freundliche Wärme der Illusionen

Mit «Shoplifters» gewann der Japaner Hirokazu Kore-eda dieses Jahr die Goldene Palme in Cannes. Eine zarte, hinterlistige Familiengeschichte.

Von Christoph Schneider

«Shoplifters», der Spielfilm des Japaners Hirokazu Kore-eda, handelt – ja, wovon eigentlich? Von Kälte und knurrenden Mägen. Von Wärme und Nudel­suppe. Von notdürftig begrabener Schuld. Von der Liebe und dem Hunger danach und der Frage, ob Liebe auch ist, wenn sie etwas kostet.

Der Mensch in dieser unterkühlten, teuren Welt möchte es gern warm haben, und er muss sich kleiden und essen und sich waschen, in Japan möchte und muss er es genauso wie anderswo. Hier wie dort glimmt bei manchen das innere «Gefühlsöfelchen» noch, und es reicht, um sich aneinander zu wärmen. Andernfalls, und das kommt öfter vor, trifft Kälte auf Kälte. Eine Frost gewordene Wurstigkeit auf die andere. Oder, bestenfalls, eine Simulation von menschlicher Wärme auf eine andere.

Talentierte Ladendiebe

Da ist nun diese Familie (nennen wir sie so, denn nach Familie sieht es aus): Grossmutter, Vater, Mutter, ein Sohn, scheint es, und eine Tante. Man nährt sich kümmerlich von Mundraub und eigentümlichen Rollenspielen. Aber die Stallwärme ist angenehm, und das Hungertuch, an dem man nagt, sättigt ausreichend.

Insbesondere sind Vater und Sohn – wenn sie es sind, denn seltsame Indizien von Fremdheit irritieren – sehr talentierte Ladendiebe, die auch beim gestohlenen Shampoo auf die richtige Marke achten. Und so lebt man dahin, mehr recht als schlecht, in kleinkrimineller Zivilisiertheit. Und im Innern ist die Herzenstemperatur noch so, dass die zwei Diebe nicht wegsehen, als sie in nächtlicher Kälte über ein kläglich vor sich hin frierendes kleines Mädchen stolpern, das seine Eltern, so scheint es, ausgesperrt haben.

Sie sehen nicht weg, sie nehmen es mit in die Wärme ihrer Ärmlichkeit, das Kind will gar nicht mehr weg, und in den folgenden Monaten entsteht etwas, das aussieht wie sanfte, familiäre Lebensharmonie.

Allerdings: Was da wirkt wie handfeste Melodramatik, ist ein Drama von brüchigen Existenzen. Immer «wirkt» es «wie» in dieser Erzählung, scheint es, sieht es aus, als sei etwas – bevor es dann ganz anders ist.

Heizmaterial der Gefühle

Das aber macht den Zauber und das Geheimnis von Hirokazus Film aus. Die Spannung eines Kriminalfalls auch, der im dramatischen Hinter- und Untergrund modert. Und sozusagen: eine fein gesponnene realistische Poesie, die erwägt, ob es nicht doch ein richtiges Leben im falschen gibt. Ob es nämlich, wenn man sich an der Prosa der Realität die Seele abfriert, nicht besser wäre, man dürfte sich an die Illusionen halten. Etwa an jene von der Entstehung der Liebe aus dem Geist des Eigennutzes.

Die Illusion, die vielleicht nur aussieht wie eine Wirklichkeit, wäre dann das Heizmaterial der Gefühle. Wenn man es abbrennt, wäre es zwar immer noch kalt, wahrscheinlich, aber man vergässe womöglich eine Zeit lang das Frieren.

© Alle Rechte vorbehalten Tages-Anzeiger. Zur Verfügung gestellt von Tages-Anzeiger Archiv
The Guardian, 13.05.2018
© Alle Rechte vorbehalten The Guardian. Zur Verfügung gestellt von The Guardian Archiv
vulture.com, 21.11.2018
© Alle Rechte vorbehalten vulture.com. Zur Verfügung gestellt von vulture.com Archiv
Le Temps, 11.12.2018
© Alle Rechte vorbehalten Le Temps. Zur Verfügung gestellt von Le Temps Archiv
Première, 10.12.2018
© Alle Rechte vorbehalten Première. Zur Verfügung gestellt von Première Archiv
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Filmdateno

Originaltitel
Manbiki kazoku
Synchrontitel
Shoplifters - Familienbande DE
Une affaire de famille FR
Genre
Drama, Krimi/Thriller
Länge
121 Min.
Originalsprache
Japanisch
Wichtige Auszeichnungen
Cannes 2018: Goldene Palme
Bewertungen
cccccccccc
ØIhre Bewertung8.0/10
IMDB-User:
7.9 (89577)
Cinefile-User:
8.4 (40)
KritikerInnen:
8.5 (6) q

Cast & Crewo

Lily FrankyOsamu Shibata
Sakura AndoNobuyo Shibata
Mayu MatsuokaAki Shibata
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Bonuso

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hGesprochen
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