Der Läufer
Hannes Baumgartner, Schweiz, 2017o
Jonas Widmer scheint seinen Weg trotz schwieriger Kindheit gefunden zu haben. Er ist einer der besten jungen Schweizer Langstreckenläufer, arbeitet daneben als Koch und will bald mit seiner Freundin zusammenziehen. Nachdem ihm die Titelverteidigung bei seinem Heimrennen missglückt ist, überkommen den introvertierten Athleten jedoch seltsame Anwandlungen und er beginnt ein zweites Leben als nächtlicher Stalker junger Frauen zu führen. Der Film basiert auf einem wahren Kriminalfall um einen jungen Waffenläufer aus der Region Bern kurz nach 2000.
Nein, wir erfahren nicht, wieso ein damals erfolgreicher Schweizer Waffenläufer eine unbekannte Frau auf offener Strasse ermordete. Hannes Baumgartner widersteht in seinem gelungenen Erstling der Versuchung, die Tat verstehen zu wollen. Sein Protagonist teilt sich uns vor allem physisch mit, wenn er blickt, sich zurückzieht, atmet und vor allem, wenn er läuft. Und wieder läuft. Dass die körperliche Anstrengung ein Ventil für Kindheitserfahrungen ist, die wir nicht kennen, für den Schmerz über den Selbstmord seines Bruder, von dem wir nur hören, und für seine Unfähigkeit ist, sich anderen mitzuteilen, das wird sofort klar. Dass die anfänglichen, eher zufälligen Delikte, die sich zu fürchterlichen Taten steigern, ebenfalls nur ein verzweifeltes Ankämpfen gegen die eigenen Frustrationen sind, ebenso. Der Film ist dabei ebenso nüchtern, diszipliniert und hermetisch wie sein Protagonist. Doch das ist gut so: Die beinahe stumme Fassungslosigkeit ist bei Taten wie den geschilderten die bessere Herangehensweise als es eine starke Emotionalisierung.
Till BrockmannHannes Baumgartner liess sich vom Fall des Waffenläufers Mischa Ebner inspirieren, der 2002 in Bern mehrere Frauen brutal angegriffen und eine getötet hatte. Der Regisseur nimmt mit kühlem Blick die Täterpsychologie ins Visier und verzichtet auf Effekte und Thrill. Das ist bedrückend karg und beeindruckend konsequent. Max Hubacher glänzt in der auch physisch anspruchsvollen Rolle.
Regula FuchsGalerieo





