Waldheims Walzer
Ruth Beckermann, Österreich, 2018o
Als „Waldheim-Affäre“ ging die internationale Debatte um die verleugnete NS-Vergangenheit von Kurt Waldheim in die Geschichte ein. In ihrem Dokumentarfilm widmet sich die österreichische Filmemacherin Ruth Beckermann dieser Affäre, die 1986 ins Rollen kam, als der frühere UN-Generalsekretär für das Amt des Bundespräsidenten Österreichs kandidierte. Während sich Waldheim als Vorzeige-Politiker der Nachkriegszeit präsentierte, entbrannte eine Debatte um den beschönigten Lebenslauf des Österreichers. Anhand von internationalem TV-Archivmaterial und eigener Videoaufnahmen rekonstruiert Beckermann die Ereignisse.
Die Waldheim-Affaire als historisches Beispiel - und Mahnung - wie sich "alternative Fakten" und populistische Propaganda durchsetzen: Aus selbstgedrehten Video-Aufnahmen und Archivbildern hat Ruth Beckermann die Auseinandersetzungen um die Wahl des ehemaligen UN-Generalsekretärs zum österreichischen Bundespräsidenten 1986 rekonstruiert. Die Filmemacherin gehörte damals selbst zu den Aktivisten, die die Wahl verhindern wollten: Waldheim hatte in seiner Biografie seine Jahre als Wehrmachtsoffizier "vergessen"; als diese nicht mehr zu leugnen waren, jedes Wissen um NS-Verbrechen abgestritten. Beckermanns klug montierter Filmessay zeigt, wie Österreich auf die Kritik an diesem zweifelhaften Kandidaten reagierte: mit einem Rechtsruck, aber auch der Einsicht in die Tatsache, dass Österreich nicht das "erste Opfer der Nazis" gewesen war.
Martina Knoben