The Wild Pear Tree
Nuri Bilge Ceylan, Türkei, Mazedonien, Frankreich, Deutschland, Bosnien Und Herzegowina, Bulgarien, Schweden, 2018o
Sinan kehrt nach dem Studium in das Dorf seiner Kindheit zurück. Wie sein Vater soll er Grundschullehrer werden, doch er träumt von einer Karriere als Autor. Seinen Platz im Leben und in seiner alten Heimat suchend, trifft er auf unterschiedliche Menschen – Freunde von früher, eine alte Liebe, zwei junge Imame und einen lokalen Schriftsteller. Und er sieht sich mit den Schulden seines spielsüchtigen Vaters konfrontiert, die Sinans sehnlichste Ziel gefährden: Genug Geld zusammenzukriegen, um seinen ersten Roman zu veröffentlichen.
Philosophisch und literarisch ist dieser melancholische Film des 2014 in Cannes für «Winter Sleep» ausgezeichneten Nuri Bilge Ceylan. Aber nicht nur. Denn der türkische Regisseur braucht wenig, um das Existentielle ins Politische kippen zu lassen. Etwa in jenem zauberhaften Augenblick, in dem eine Frau sich vom Kopftuch befreit, um sich die Haare vom Wind streicheln zu lassen: Eindringlicher könnte das unterdrückte Freiheitsbedürfnis in der Türkei kaum gezeigt werden.
Pierfrancesco BasileGalerieo
In «The Wild Pear Tree» kehrt ein junger Mann in sein Heimatdorf zurück. Dort regiert jedoch das Absurde.
Ein Trojanisches Pferd im Zentrum eines öffentlichen Platzes: Dies ist das Markenzeichen einer verschlafenen türkischen Kleinstadt, deren Besonderheit darin besteht, in der Nähe legendärer Schlachtfelder zu liegen. Hier lässt sich mit Tourismus gut verdienen; wer andere Ziele verfolgt, wird es schwerer haben.
Dies erfährt auch Sinan, der nach dem Studium aus Istanbul zurückgekehrt ist und davon träumt, Schriftsteller zu werden. Finanziell kann er von seinen Verwandten keine Hilfe erwarten: Der Vater ist eine dämonische Figur – seine Spielsucht hat die Familie ruiniert, und er wird vom ganzen Dorf ausgelacht, auch weil er jedes Wochenende wie besessen auf den Hügeln herumirrt, auf der Suche nach inexistenten Wasserquellen.
Auch die anderen Menschen, denen Sinan begegnet, scheinen der Provinzialität des Ortes anheimgefallen zu sein: ein lokaler Schriftsteller etwa, dessen Eitelkeit Sinan mit seinen Fragen entlarvt; oder ein zynischer Unternehmer, der den unverdienten Ruf geniesst, ein Mäzen zu sein. Allmählich beginnt Sinan zu begreifen, dass auch für ihn ein Platz in dieser Galerie gescheiterter Lebensentwürfe reserviert sein könnte.
Philosophisch und literarisch ist dieser melancholische Film des 2014 in Cannes für «Winter Sleep» ausgezeichneten Nuri Bilge Ceylan, aber nicht nur. Denn der türkische Regisseur braucht wenig, um das Existentielle ins Politische kippen zu lassen. Etwa in jenem zauberhaften Augenblick, in dem eine Frau sich vom Kopftuch befreit, um sich die Haare vom Wind streicheln zu lassen: Eindringlicher könnte das unterdrückte Freiheitsbedürfnis in der Türkei kaum gezeigt werden.