Psycho
Alfred Hitchcock, USA, 1960o
Die Sekretärin Marion Crane unterschlägt 40.000 Dollar und macht auf ihrer Flucht in einem abgelegenen Motel Station, das der eigentümliche Norman Bates leitet, der mit seiner Mutter im Haus neben dem Motel lebt. Als Marion sich frisch machen will, wird sie während des Duschens erstochen. Nachdem ein Privatdetektiv, der ihre Spur gefunden hatte, ebenfalls verschwindet, begeben sich Marions Freund Sam und ihre Schwester Lila auf die Suche. In Bates' Motel, machen sie eine grausige Entdeckung.
Ein Meilenstein, der dem Kino der Angst mit einer dramaturgisch hintersinnigen und ästhetisch unerhört einfallsreichen Inszenierung eines freudianisch inspirierten Groschenromans eine neue Dimension erschloss. Hitchcock sagte im Gespräch mit François Truffaut: «Worauf es mir ankam, war, durch eine Anordnung von Filmstücken, Fotografie, Ton, lauter technische Sachen, das Publikum zum Schreien zu bringen.» Unter dem Einfluss dieser formalistischen Betrachtungsweise ist die Bedeutung des Films als Zeitdokument wenig gewürdigt worden. Dabei besteht seine maliziöse Ironie nicht zuletzt darin, dass das Opfer in einer von Elternfiguren dominierten Konstellation die Einzige ist, die ihr Leben in die eigenen Hände nimmt, doch genau in diesem Moment in die Hände eines pathologischen Muttersöhnchens fällt. So scheitert in Psycho die Revolte der Kinder gegen die Vereinnahmung durch die Eltern und die Tyrannei der Rechtschaffenheit noch, während sie in der historischen Wirklichkeit wenige Jahre später gewaltsam durchbrechen sollte. In der Ästhetik des Films aber kündet sich der Epochenbruch von 1968 schon mit elementarer Wucht an: unaufhaltsam dem bösen Ende entgegen, verstörend in den Schockeffekten, schmerzhaft in der messerscharfen Zuspitzung des dissonanten Sounds.
Andreas Furler