The Sense of an Ending
Ritesh Batra, GB, 2017o
Der Eigenbrötler Tony wird aus seinem gemütlichen Trott gerissen: Er soll das Tagebuch eines ehemaligen Freundes, der sich umgebracht hat, erben. Aber dessen Ex-Geliebte, mit welcher er einst eine frustrierende Beziehung hatte, rückt das Buch nicht heraus.
Julian Barnes’ meisterhafter Roman, auf welchem der Film von Ritesh Batra («The Lunchbox») beruht, handelt von der Unzuverlässigkeit unseres Gedächtnisses. Das ist filmisch schwer umsetzbar, und das Drehbuch ist an manchen Stellen etwas überdeutlich. Aber die durchwegs exzellenten Darsteller machen den Film dennoch sehenswert.
Thomas BodmerIst das Leben nichts als eine sehr persönliche Fiktion, zusammengesetzt aus Halbwissen und Sehnsüchten? Jim Broadbent spielt Tony, dessen Erinnerung auf den Prüfstand gestellt wird. Der alte Herr hat überraschend geerbt, das Tagebuch eines Freundes, der sich das Leben genommen hat. Ritesh Batra hat den Roman von Julian Barnes mit viel Gefühl für Zwischentöne verfilmt, alles meisterlich gespielt.
Susan VahabzadehUn postulat intimiste classique qui permet un intéressant travail de déconstruction narratif mais aussi et surtout une plongée dans les affres de la mémoire. Un sujet universel.
Julien DugoisEn équilibre fragile entre séquences contemporaines et flash-back comme empoisonnés par la nostalgie, le film progresse vers une révélation, un bilan existentiel, un « sens de la fin », le titre original.
Cécile MuryGalerieo







In der Verfilmung von Julian Barnes’ meisterhaftem Roman «The Sense of An Ending» versucht ein alter Eigenbrötler, sich eine verflossene Liebe in Erinnerung zu rufen.
Was bleibt uns von Liebesbeziehungen am stärksten in Erinnerung? Sind es die schönen Momente – oder die peinlichen? Tony Webster hat alles getan, um die verkorkste Geschichte mit Veronica zu vergessen: Die junge Frau hatte ihn während seiner Studienzeit immer nur getriezt. Sie nahm ihn zu ihren Eltern mit, aber mit ihm ins Bett gehen wollte sie nicht. Das tat sie erst dann ein einziges Mal, nachdem der frustrierte Tony die Beziehung abgebrochen hatte. Dafür kam sie danach mit Adrian zusammen, einem von Tony bewunderten brillanten ehemaligen Mitschüler, und dieser Adrian brachte sich später um.
Mittlerweile ist Tony in den Sechzigern, hat einen winzigen Laden für teure Secondhand-Fotoapparate und lässt niemanden an sich ran ausser seiner Ex-Frau und der Tochter, die ihn gelegentlich ins 21. Jahrhundert zu zerren versucht. Doch eines Tages wird Tony aus seinem gemütlichen Trott gerissen durch den Brief eines Anwaltsbüros: Die Mutter der fiesen Veronica ist gestorben und hat Tony im Testament mit einer kleinen Geldsumme bedacht sowie einem Gegenstand, der sich als das Tagebuch von Adrian herausstellt. Doch Veronica will dieses Buch nicht herausrücken, und so nimmt Tony wieder Kontakt mit ihr auf.
Im Kopf von Tony
Der Film «The Sense of an Ending» von Ritesh Batra («The Lunchbox») beruht auf Julian Barnes’ gleichnamigem meisterhaftem Roman. Dieser hat einen so überraschenden Schluss, dass viele die Lektüre gleich noch mal von vorn begonnen haben. Der Reiz des Buchs besteht darin, dass wir uns gleichsam im Kopf des Icherzählers Tony befinden, der herauszufinden versucht, was damals wirklich passiert ist. Daraus einen Film zu machen, ist extrem schwierig, und das Drehbuch ist denn an manchen Stellen auch etwas überdeutlich.
Sehenswert ist der Film dennoch wegen der Darsteller: Jim Broadbent spielt den alten Tony als weltfremden Eigenbrötler. Ein Höhepunkt ist die Szene, in der Kumpel ihm vorführen, wie man im Netz recherchieren kann: Über die Rückseite des Computers hinweg sieht man nur die Gesichter der alten Knacker und deren Reaktionen. Michelle Dockery, die Lady Mary aus «Downton Abbey», verkörpert Tonys hochschwangere Tochter, und Harriet Walter ist absolut grossartig als die Ex-Frau, an der er sichtlich hängt und die ihm mit liebevoller Ironie begegnet.