Köhlernächte
Robert Müller, Schweiz, 2017o
Noch bis ins 20. Jahrhundert war die Holzköhlerei in ganz Europa sehr verbreitet. In der Schweiz ermöglichte die Produktion von Holzkohle vor allem in den unwegsamen Waldregionen des Juras, des Tessins und der Napfregion vielen Menschen ein Auskommen. Ausserhalb des musealen Umfelds ist das Handwerk der Meilerköhlerei heute in ganz Westeuropa nur noch im luzerner Entlebuch, in der Waldlandschaft um Bramboden, lebendig geblieben.
Filme über die archaische Urschweiz gibt es inzwischen ja einige. Diesen hier schaut man trotzdem gerne, denn er zeigt, was ist, statt zu verklären: Die Köhlerei als altes Handwerk, faszinierend, aber auch schlafraubend und so streng, dass die Männer derart drauflosfluchen, dass mancher Gangsterrapper blass würde.
Anna KappelerEntlebuch is a region rich with ancient traditions. Robert Müller helps us discover the method of making charcoal from wood, a handcrafted method that is truly an art and a science at the same time. The emphasis on the transmission of this know-how works particularly well in this film. It is not only a question of keeping traditions alive, for it places man in a symbiotic relationship with nature: the charcoal-making becomes a very modern alternative for energy production, and not just a curiosity restricted to folk museums. Müller’s realist depiction of this regional phenomenon is joined with a poetic treatment of the images – also thanks to Pio Corradi’s splendid camerawork –, which are accompanied by the exceptional work on the sound and by Fritz Hauser’s inspiring music.
Giuseppe Di SalvatoreGalerieo
Unaufgeregt, aber bildstark: In «Köhlernächte» wird gezeigt, wie aus Holz Kohle wird.
Filme über die Urschweiz gibt es einige, und nicht wenige nerven wegen ihrer Romantisierung. «Köhlernächte» von Robert Müller (Produzent «Die Wiesenberger») ist anders. Den Film schaut man gern, denn er zeigt, was ist, statt zu verklären: die Köhlerei als ein vom Aussterben bedrohtes Handwerk. Es ist faszinierend archaisch, für die Köhler vor allem aber: saumässig anstrengend. In ganz Westeuropa wird die Arbeit nur noch im Entlebuch gewerbsmässig betrieben, und es gibt dort auch nur noch neun Köhler.
Einer von ihnen ist der 70-jährige Fränz Röösli. In körperlicher Schwerstarbeit baut er jedes Jahr nach genauen Vorgaben einen vier Meter hohen Holzmeiler auf. Dieser ist eine Art Ofen, in dessen Innern, einmal angezündet, während zweier bis dreier Wochen Holz zu Kohle wird bei bis zu 600 Grad. Eine Zeit, in der Röösli alle paar Stunden in seinen schweren Gummistiefeln auf den Meiler raufklettern, neue Löcher stechen und Holz nachlegen muss, damit der «Haufen» gleichmässig abbrennt. Sonst funktioniert die Verkohlung nicht. Bleiern also ist Rööslis Müdigkeit, trotz nächtlichem Kafi Schnaps, und der Mond ist nicht romantisch, sondern von beissendem Rauch vernebelt. Der Mann kommt an Grenzen, das sei nun wirklich das letzte Jahr, schwört er sich und flucht derart drauflos, dass dabei mancher Gangsterrapper blass würde.
Kameramann Pio Corradi («Höhenfeuer») hält alles unaufgeregt und dennoch bildstark fest. Manchmal erinnert die Szenerie an eine Kunstperformance – den Rauch glaubt man bald selber zu riechen. So bangt man mit den Köhlern bis zum Schluss mit. Schliesslich, als Röösli die fertige Kohle stolz in die Kamera hält, freut man sich mit ihm und weiss: Er wird es nächstes Jahr wieder tun.