The Other Side of Hope
Aki Kaurismäki, Finnland, 2017o
Der syrische Flüchtling Khaled landet als blinder Passagier in Helsinki und wird als Asylbewerber abgewiesen, weil die finnischen Behörden die Situation in seiner zerbombten Heimatstadt Aleppo als unproblematisch einstufen. Nach der Flucht vor der Ausschaffung trifft er auf den alternden Handelsreisenden Wikström, der aus seiner Branche und seiner Ehe ausgestiegen ist und sich mit einem Pokergewinn eine Kneipe gekauft hat. Zusammen mit deren leicht ramponiertem Personal bauen sie sich eine neue Existenz auf.
Ein neuer Film von Aki Kaurismäki? Das kam in letzter Zeit nur noch alle paar Jahre vor und findet diesen Herbst mit Fallen Leaves endlich nochmals statt. Höchste Zeit darum, seinen letzten von 2017 nachzuholen. Kaurismäkis Welt besteht bekanntlich aus Verlierern, Trinkern und anderen Aussenseitern, die ihr Schicksal so ungerührt wie wortkarg tragen. In Kaurismäkis frenetischer Schaffensphase, in den 1980er und 1990er Jahren, rekrutierten sich diese schrägen Vögel aus kleinen Angestellten und den letzten VertreterInnen des finnischen Industrieproletariats, mit Le Havre (2011) entdeckte Kaurismäki auch die ImmigrantInnen aus Asien und Afrika auf der Schattenseite des Lebens. In The Other Side of Hope bringt er seine beiden Heldentypen – denn HeldInnen der Mitmenschlichkeit und der stoischen Würde sind diese AntiheldInnen allemal – zusammen und erzählt von einem syrischen Asylbewerber und von einem alternden finnischen Handelsreisenden, die als Hilfskraft bzw. neuer Chef einer altmodischen Kneipe voller Gestrandeter ihr Glück versuchen. Wie gewohnt behandelt Kaurismäki seine Besetzung wie Laiendarsteller – von Schauspiel- und Dialogkunst zu reden, wäre angesichts des gewollt hölzigen Markierens einer rudimentären Handlung schamlose Übertreibung. Doch wie gewohnt geht Kaurismäkis Knauserei künstlerisch auf. Seine sarkastische Zuspitzung des Ausbeutens und Ausgebeutetwerdens sitzt, seine stärksten Bilder brauchen kein Worte. Eigentlich ist er der letzte Stummfilmregisseur.
Andreas FurlerVom ersten Bild des Hafens von Helsinki an weiss man, dass man sich in der Welt von Aki Kaurismäki befindet: einer, in der Charakterköpfe wenig reden, die Farben knallen und Solidarität noch kein Fremdwort ist. Souverän vermeidet der Finne dabei Kitsch und Sentimentalität. Dafür erhielt er in Berlin den Silbernen Bären für die beste Regie.
Thomas Bodmer