Usfahrt Oerlike

Paul Riniker, Schweiz, 2015o

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Die Geschichte eines anständigen Mannes wird hier erzählt, dem alle Freude am Leben abhandengekommen ist. Wie es war, wars gut, und er will nicht klagen; aber jetzt ist der Hans krank und müde und will nicht mehr. Willi, der treue Freund, soll ihm Gift besorgen. Allerdings sind da noch ein paar unbeglichene moralische Schulden, und überhaupt macht es einem das Leben nicht so leicht mit dem Sterben. (züritipp)

Natürlich zehrt dieser liebenswerte Film (nach dem Theaterstück «Exit» von Thomas Hostettler) jetzt ein wenig vom Wissen, dass es seinem Hauptdarsteller wirklich nicht gut geht, und dann ist auch noch Mathias Gnädinger gestorben. Vor allem jedoch lebt «Usfahrt Oerlike» vom stillen, feinen Spiel Jörg Schneiders, der ja auch in gesunden Tagen nie nur der Kasperli war. Und lebt -- selbst dort, wo es die Melodramatik etwas üppig treibt -- von der realistischen Erkenntnis, dass die Zeit kommt, wo man nicht mehr so alt ist, wie man sich fühlt, sondern nur noch so alt, wie man ist.

Christoph Schneider

Ein Rentner (Jörg Schneider), der nach dem Tod seiner Frau in dem jahrzehntelang gemeinsam bewohnten Reihenhaus in Oerlikon bleibt, muss eines Tages seinen geliebten Hund einschläfern lassen. Nach diesem weiteren Schlag verliert er den Lebensmut. Er bittet seinen besten Freund (Mathias Gnädinger), dessen Nichte im Spital arbeitet, ihm Gift für einen schmerzfreien Suizid zu besorgen. Basierend auf Thomas Hostettlers Theaterstück «Exit» hat Paul Riniker, Pionier des sozial engagierten TV-Dokumentarfilms beim Schweizer Fernsehen und 2010, schon im Pensionsalter, Kinodebütant mit seinem Spielfilmerstling «Sommervögel», in seinem Zweitling eine schlichte, emotional anrührende Geschichte mit sicherem Gespür inszeniert. Trotz Tendenzen zu Überdramatisierung gleitet «Usfahrt Oerlike» nie in die Sentimentalität einer Fernseh-Soap ab. Jörg Schneider, der hier erstmals als Hauptdarsteller in einem Kinofilm zu sehen ist und der nächste Woche seinen achtzigsten Geburtstag feiert, sowie der sechs Jahre jüngere Mathias Gnädinger brillieren gleichermassen und überzeugen als neues Traumpaar in einem populären Schweizer Film.

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Galerieo

cineman.ch, 13.09.2016
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Tages-Anzeiger, 30.01.2015
«Ich war gerührt»

An der Premiere des Films «Usfahrt Oerlike» in Solothurn gab es für Jörg Schneider eine Standing Ovation. Doch allzu viel zu freuen und zu lachen habe er nicht mehr, sagt der unheilbar kranke Schauspieler.

Von Silvio Temperli

Jörg Schneider, ertragen Sie die Frage noch: Wie gehts Ihnen?

Ach, ich sage dann einfach immer ganz kurz: Es geht mir nicht gut. Aber ich muss da durch. Basta.

Wie schaffen Sie das?

Ich habe eine liebenswürdige Hausangestellte, die sich von morgens bis abends um mich kümmert. Zweimal pro Tag bin ich auf die Spitex angewiesen. Und moralisch unterstützt mich meine Frau, die auch im Rollstuhl sitzt.

In «Usfahrt Oerlike» spielen Sie die Hauptrolle (TA vom Mittwoch). Die Geschichte über einen Mann, der sterben möchte, wurde an den Solothurner Filmtagen mit dem Prix de Public geehrt. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

In meinem Zustand kann man deswegen keine Freudensprünge machen. Aber der Seele tut das gut. Und Sie wissen ja, dass ich nicht unempfänglich bin für Komplimente. Der Preis freut mich in erster Linie für den Regisseur Paul Riniker und für das Team.

Sie waren in Solothurn dabei, als der Film erstmals vor Publikum gezeigt wurde. Wie erlebten Sie ihn in der Rolle des Zuschauers?

Es war sehr schön zu spüren, wie der Film beim Publikum ankommt. Wie die Leute mitgingen, wie sie an gewissen Stellen mucksmäuschenstill wurden. Und wie sie sich trauten, bei den wenigen heiteren Sachen zu lachen. Am Schluss ein grosser Applaus. Alle standen auf.

Standing Ovation für Jörg Schneider.

Ich war gerührt, Tränen flossen keine. Gerne hätte ich mich gebührend verneigt. Aber ich kann ja nicht vom Rollstuhl aufstehen.

Welches Lob hat Sie an der Premierenfeier am meisten gefreut?

Mein Filmpartner Mathias Gnädinger sagte einfach zu mir: Jörg, du warst saugut. Er ist ein wunderbarer Kollege. Dass ich mit ihm zusammenarbeiten durfte, das war ein unwahrscheinliches Glück.

Die Kritiken, die zuhauf erschienen sind, waren fast durchs Band sehr gut. In einer Besprechung aber fiel das Wort Kitsch.

Ich habe nur wenige Kritiken gelesen. Kitsch? Das stimmt doch nicht. Was ist Kitsch? Rosamunde Pilcher vielleicht. Die schönen Landschaften. Die schönen Menschen. Die schönen Blumen.

Wie werden Sie Ihren 80. Geburtstag in einer Woche begehen?

Ich lasse mich überraschen. Eine Feier ist nicht geplant. Ich bleibe jedenfalls daheim. Ich muss ja nicht kokettieren damit, aber ich bin wirklich schwer krank, kann nichts mehr spontan unternehmen.

Geburtstage laden ein zum Innehalten. Werden Gedanken erwachen auch an die Zukunft, an die Endlichkeit des Seins?

Es gibt nichts zu philosophieren. Mir ist ganz klar, dass allein noch eine kurze Wegstrecke vor mir liegt. Ich hoffe, dass ich ohne grosse Schmerzen gehen kann. Und dass ich noch ein paar schöne Tage erleben darf mit meiner Frau, mit der ich über ein halbes Jahrhundert zusammen bin. Allzu viel zu lachen und zu freuen gibt es da nicht mehr. Aber Sie müssen nicht glauben, dass ich verbittert dasitze. Ab und an erlebe ich ganz spontan ein Spässchen mit Kollegen und Nachbarn. Und lachen, das kann ich mit meiner Frau, etwa, wenn unsere Rollstühle einander in die Quere kommen.

Achtzig Jahre sind eine lange Zeit. Könnten Sie nochmals von vorne anfangen, was würden Sie anders machen?

Rein gar nichts. Ich würde wieder Schauspieler werden. Und wieder die gleiche Frau heiraten.

Wann entdeckten Sie Ihr Talent?

Das war mir angeboren. Als ich ein kleiner Bub war, wohnten wir in einem hübschen Einfamilienhaus. Im Keller gabs einen Trockenraum, wo die Mutter die Wäsche aufhängte. An den Seilen montierte ich Vorhänge. Dann habe ich dort für Kollegen «theäterlet», selbst erfundene «Stückli». Mit elf Jahren bekam ich die erste Rolle – den Heinerle in der Operette «Der fidele Bauer».

Und jetzt die Frage, die Sie zum x-ten Mal hören. Weshalb mussten Sie fast achtzig Jahre alt werden, bis Sie eine Hauptrolle in einem Film bekamen?

Vielleicht hatte ich zu sehr den Kasperli-Stempel am Rücken, das «Tri-tra-trallala», da dachte man, der kann das gar nicht, ernsthaft sein . . .

Und doch waren Sie ein Leben lang auf der Bühne erfolgreich – trotz Ihrer Figur und Ihrer Körpergrösse von 1,60.

Die Begabung war da. Und dann der Fleiss ebenfalls, die Zuverlässigkeit, die Disziplin. Immer habe ich mir Mühe gegeben.

Und jetzt hat alles ein Ende.

Ich will nicht jammern, ich will nicht ­hadern. Derjenige, der das Schicksal in den Händen hat, hat es halt nicht so gut gemeint mit mir. Doch ich gebe mir Mühe. Auch jetzt, in diesem Augenblick, da ich mit Ihnen rede. Leider bin ich furchtbar vergesslich geworden, es sind die vielen Medikamente, die Therapien und die Bestrahlungen, die mir aufs ­Gedächtnis schlagen. Nun bin ich plötzlich wieder sehr müde. Ich muss mich hinlegen.

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Bundeszentrale für politische Bildung, 26.02.2017
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Hommage an Schauspieler Jörg Schneider
Thomas Lüthi / SRF
de / 22.08.2015 / 27‘09‘‘

Beitrag
Rolf Gatschet / SRF
de / 21.01.2015 / 4‘46‘‘

Filmdateno

Synchrontitel
Exit Oerlikon EN
Genre
Drama
Länge
94 Min.
Originalsprache
Deutsch
Bewertungen
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ØIhre Bewertung6.7/10
IMDB-User:
6.7 (97)
Cinefile-User:
< 10 Stimmen
KritikerInnen:
< 3 Stimmen

Cast & Crewo

Jörg SchneiderHans Hilfiker
Mathias GnädingerWilli Keller
Heidi Maria GlössnerEmilie Brütsch
MEHR>

Bonuso

iGefilmt
Hommage an Schauspieler Jörg Schneider
SRF, de , 27‘09‘‘
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Beitrag
SRF, de , 4‘46‘‘
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gGeschrieben
Besprechung cineman.ch
Eduard Ulrich
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Interview mit Hauptdarsteller Jörg Schneider
Tages-Anzeiger / Silvio Temperli
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Dossier über Sterbehilfe
Bundeszentrale für politische Bildung / Diverse
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