Searching
Aneesh Chaganty, USA, 2018o
Nachdem seine 16-jährige Tochter verschwunden ist, sucht der verzweifelte Vater David Kim (John Cho) auf ihrem Laptop nach Hinweisen. Ein Thriller, der sich ganz auf Computerbildschirmen entfaltet.
Früher drehte Aneesh Chaganty Werbung für Google. Sein Spielfilmdebüt ist ein Thriller, der sich nur auf einem Computerbildschirm abspielt. Es wird nonstop gegoogelt, die Figuren sprechen über Facetime miteinander, und ständig ploppen E-Mails und iMessages auf. Das ist überraschend einnehmend, weil im Kern eine Vater-Tochter-Beziehung steht.
Andreas ScheinerDas Leben, wie es sich auf unseren Bildschirmen abspielt, auf Notebooks und Smartphones. Das neue Genre des "Screen Movie" arbeitet mit strengen formalen Beschränkungen - alles darf nur so gezeigt werden, wie es auf den Screens ankommt. Kann man auf diese Weise erzählen, wie ein tech-affiner Vater (John Cho) im Silicon Valley nach seiner verschwundenen Teenage-Tochter sucht, dabei Krimi-Überraschungen einbauen und sogar tief emotionale Momente schaffen? Regisseur Aneesh Chaganty beweist: Es geht! Sogar so gut, dass beim Sundance Festival ein Publikumspreis drin war.
Tobias KniebeGalerieo
Wie macht man einen Thriller, der auf dem Desktop spielt? Wir fragten den Regisseur des neuen Films «Searching».
Aneesh Chaganty machte früher Werbung für Google, dabei lernte er etwas Wichtiges. Bei Google sei es immer darum gegangen, Emotionen reinzubringen: «Der Zuschauer sieht, wie eine Taste gedrückt wird, und dabei soll ihm das Herz aufgehen.»
Chaganty, den wir auf der Cine-Europe-Messe in Barcelona sprachen, gelang 2014 das Kunststück, einen rührenden Kurzfilm für Google-Glass-Brillen zu drehen. Der gefiel auch Timur Bekmambetov. Der Produzent hatte mit dem Horrorfilm «Unfriended» (2015), in dem abendfüllend geskypt wird, einen Überraschungserfolg gelandet. Seither ist er spezialisiert auf Filme, die auf Desktops spielen (die Fortsetzung «Unfriended: Dark Web», der Isis-Rekrutierungsthriller «Profile»).
In diesen Filmen googeln sich Figuren ihre Finger wund, während sie gleichzeitig über Facetime telefonieren, sich durch aufploppende E-Mails arbeiten und iMessages beantworten. Was das soll? Chaganty sagt: «Die Menschen verbringen ihr Leben fast nur noch vor dem Bildschirm. Als Filmemacher stellt sich die Frage, wie man damit künstlerisch umgeht.»
Darüber zerbrach er sich den Kopf, als ihn Bekmambetov beauftragte, einen Desktop-Film zu entwickeln. In «Searching» verschwindet ein Teenagermädchen (Michelle La), ihr Vater (John Cho) sucht auf ihrem Laptop nach Hinweisen. Während er mit der Kommissarin (Debra Messing) videotelefoniert, klickt er sich durch die Social-Media-Profile der Tochter und stellt fest, wie wenig er von ihr weiss.
Er habe, so Chaganty, von zwei Leuten erzählen wollen, die auf allen Kanälen miteinander vernetzt seien, aber zwischenmenschlich «disconnecten». Damit kommen die Emotionen rein. Mit dem Vater fiebert man mit. Konstruiert wirkt nur das letzte Drittel, wo der Drang zum Thriller überhandnimmt. Chaganty hätte früher Schluss machen sollen, so wären ihm beim Dreh auch ein paar Überstunden erspart geblieben. Die Computer, vor denen die Schauspieler sassen und auf denen Dutzende Programme gleichzeitig liefen, stürzten nonstop ab. Es sei zum Verzweifeln gewesen, so der Regisseur: «iMacs sind nicht gemacht für so einen Film. Alle anderthalb Stunden verloren wir 15 Prozent des Materials.»
Seinen nächsten Film hat Chaganty schon im Kopf. Darin soll es nur eine kurze Szene geben, in der eine Figur ins Internet muss – aber der Computer ist offline.