David wants to Fly

David Sieveking, Deutschland, Österreich, Schweiz, 2010o

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Fast sechs Millionen Menschen weltweit praktizieren heute die Transzendentale Meditation (TM). Auch der junge Filmemacher David Sieveking will es damit probieren und es damit seinem Idol David Lynch gleichtun, der TM als Quelle der Kreativität und des Erfolgs preist. Sieveking unterzieht sich dem kostspieligen Training, erhält sein persönliches Mantra und versucht sich im yogischen Fliegen. Statt dem prophezeiten Himmel auf Erden tun sich dabei aber eher Abgründe auf.


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19.05.2010
© Alle Rechte vorbehalten Süddeutsche Zeitung. Zur Verfügung gestellt von Süddeutsche Zeitung Archiv
Tages-Anzeiger, 27.04.2010

Zwei spannende Dokumentarfilme demontieren die Heilsversprechen zweier Gurus mit ganz unterschiedlichen Methoden.

Von Hugo Stamm

Mag sein, dass es Zufall ist, wenn jetzt gleich zwei Filme über Gurubewegungen in die Kinos kommen, die zur Hippiezeit viele junge Menschen aus dem Westen elektrisierten. «David Wants to Fly» und «Guru» zeigen jedoch beide, dass sich die Filmsprache in diesem Fall besser eignet als das geschriebene Wort, um das Sektenphänomen sinnlich erfahrbar zu machen. So stürzen die beiden Gurus Maharishi Mahesh Yogi und Bhagwan auf der Leinwand synchron vom spirituellen Thron.

In ihrer Eindringlichkeit und Unmittelbarkeit entlarven die Dokumentarfilme die beiden verstorbenen indischen Gurus als machthungrig und despotisch. In «David Wants to Fly» wird zugleich auch der Starregisseur und Maharishi-Anhänger David Lynch («Lost Highway») entzaubert. Der deutsche Jungfilmer David Sieveking nimmt sein Publikum mit auf die Reise zu David Lynch. Er heftet sich dem Meister an die Fersen und will erfahren, wie man die menschlichen Abgründe findet und ein erfolgreicher Regisseur wird. Der Regisseur schwärmt seinem jungen Kollegen vor, er verdanke sein kreatives Potenzial und das höhere Bewusstsein seinem Guru Maharishi Mahesh Yogi. Der Filmstudent kratzt das letzte Geld zusammen, um den rund 4000 Franken teuren Kurs in Transzendentaler Meditation (TM) zu absolvieren. Er staunt über das yogische Fliegen, ein kurioses Hüpfen im Lotussitz, bei dem die TM-Anhänger glauben, mit übersinnlichen Kräften die Gravitation zu überwinden. Als Sieveking auch bei der Meditation kein Erweckungserlebnis erfährt und die autoritären Strukturen erlebt, will er noch einmal mit Lynch sprechen.

Der grosse David schrumpft

Im zweiten Interview schwurbelt der erfolgreiche Regisseur nicht mehr abgehoben von Erleuchtung und höherem Bewusstsein, sondern reagiert ungehalten auf die kritischen Fragen. Der kleine David wächst über sich hinaus, der grosse David schrumpft immer mehr. Der Jungfilmer will die Welt ergründen, in der sich sein Idol bewegt, seit sich Lynch nach dem Tod seines Gurus 2008 zum Botschafter der weltweiten TM-Bewegung entwickelt hat.

Der Jungfilmer mutiert vom stillen Beobachter zum hartnäckigen Rechercheur. Die TM-Fürsten, Rajas genannt, glauben immer noch, Sieveking realisiere einen PR-Film über TM mit Lynch als Star. So kann er interne Sitzungen filmen und die Rajas interviewen. Hinter dem stereotypen Lächeln der erleuchteten Sektenfürsten entdeckt Sieveking eine bigotte Welt, in der Geld und Macht die dominierenden Themen sind. So gesteht der Schweizer Raja Felix Kägi, er habe eine Million Franken bezahlt, um TM-Fürst zu werden. Der Jungfilmer dokumentiert, dass der Guru mit solchen Schachermethoden ein Milliarden-Imperium und eine totalitäre Bewegung aufgebaut hat.

Im letzten Interview reisst der kleine David dem grossen die Maske vom Gesicht. Zuerst verweigert Lynch das Gespräch, dann will er den Film verbieten lassen. Das Strahlen des Meisters weicht Zornesfurchen, Lynch verbietet sich kritische Fragen. Vor der Premiere des Films in Berlin drohte Lynch gar mit rechtlichen Schritten. Sieveking liess sich nicht einschüchtern. Man dankt es ihm. Einziger Stilbruch in seinem Film: Sieveking flicht die wechselvolle Geschichte mit seiner Freundin mit ein. Sie hat weder mit Lynch, TM noch mit dem Film etwas zu tun.

Herrschsüchtiger Guru

Während Sieveking in seinem filmischen Erfahrungsbericht die eigene Suche (und Enttäuschung) zum Thema macht, verzichten Sabine Gisiger («Do It») und Beat Häner in ihrem Film «Guru» auf jeden Kommentar und lassen allein Bilder und Zeugen sprechen. Die Zürcherin und der Basler ergründen den Sex-Guru Bhagwan, indem sie sich auf Interviews mit zwei Zeitzeugen konzentrieren, die Bhagwan eng begleiteten. Der Engländer Hugh Milne war der Bodyguard des Gurus, die Inderin Sheela Birnstiel, die heute im Kanton Baselland zwei Heime für alte und behinderte Menschen führt, war seine persönliche Sekretärin.

Mit unbewegter Kamera halten die beiden Filmer auf die Gesichter ihrer Zeugen und lassen sie die Geschichte von Bhagwan und der riesigen Bewegung erzählen. Die Schilderungen der beiden Augenzeugen untermauern sie mit reichhaltigem Archivmaterial. Der Befund fällt ähnlich aus wie bei Sieveking: Die Bhagwan-Bewegung wird als Sekte demontiert, Bhagwan selbst als herrschsüchtiger Guru, der die Anhängerschar als Kulisse für seine Selbstinszenierung brauchte. In den letzten Jahren degradierte er seine Schüler zu Arbeitstieren, die gleichzeitig Millionen spendeten: Bhagwan wollte als jener Mensch im Guinnessbuch der Rekorde verewigt werden, der am meisten Rolls-Royce besitzt. Wenn Sheela Birnstiel erzählt, dass sie als junge Anhängerin für einen Blick von Bhagwan gestorben wäre, glänzen ihre Augen wie vor 40 Jahren. Und das Entsetzen steht ihr ins Gesicht geschrieben, als sie die totalitäre Phase der Bewegung in Oregon beschreibt: wie die eigenen Sicherheitskräfte mit Maschinenpistolen das Sektengelände bewachten und die Telefone der Anhänger abhörten. Packend ist dabei auch der Hochseilakt von Sheela. Sie ist nicht nur Sektenopfer, sondern auch Täterin, zog sie doch im Machtzentrum die Fäden. Obwohl sie die Fehlentwicklungen und ihre eigene Rolle beschönigt, enthalten ihre Aussagen genug Fakten, die den Horror dokumentieren. Die interne Paranoia sei von aussen aufgezwungen worden, das diktatorische Regime eine Folge davon gewesen, behauptet sie. Nun versteinert ihr Gesicht.

Hugh Milne, der Bhagwan auch mit der Kamera beobachtete, schildert, wie der Guru vom geistig lebendigen Provokateur zum lethargischen Junkie verkümmert, der sich mit Drogen vollpumpt und mehrere Jahre schweigend vor sich hinvegetiert. Seine Anhänger werden sich nicht beirren lassen und ihren Guru weiterhin als Messias verklären. Der Film ist aber ein Zeitdokument, das die Diskussion um Bhagwan auf eine neue Ebene hebt.

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Huffington Post, 03.06.2011
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Variety, 13.02.2010
© Alle Rechte vorbehalten Variety. Zur Verfügung gestellt von Variety Archiv
The Director presents his own film
nn / onesmallseedtv
en / 28.07.2011 / 6‘50‘‘

Filmkritik
/ MYSTICA Redaktion
de / 15.06.2012 / 5‘21‘‘

David Lynch on Transcendental Meditation
/ Transcendental Meditation
en / 11.08.2009 / 8‘42‘‘

Promotion Video for Transcendental Meditation
/ Transcendental Meditation
en / 24.10.2018 / 20‘44‘‘

Filmdateno

Synchrontitel
David wants to Fly - Ein yogisches Abenteuer DE
Genre
Dokumentarfilm
Länge
96 Min.
Originalsprachen
Deutsch, Englisch, Hindi
Bewertungen
cccccccccc
ØIhre Bewertung6.9/10
IMDB-User:
6.9 (693)
Cinefile-User:
< 10 Stimmen
KritikerInnen:
< 3 Stimmen q

Cast & Crewo

David SievekingRegie
David SievekingDrehbuch
Adrian StähliKamera
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Bonuso

iGefilmt
The Director presents his own film
onesmallseedtv, en , 6‘50‘‘
s
Filmkritik
MYSTICA Redaktion, de , 5‘21‘‘
s
David Lynch on Transcendental Meditation
Transcendental Meditation, en , 8‘42‘‘
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Promotion Video for Transcendental Meditation
Transcendental Meditation, en , 20‘44‘‘
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gGeschrieben
Besprechung Süddeutsche Zeitung
Doris Kuhn
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Kritik zu GURU und DAVID WANTS TO FLY
Tages-Anzeiger / Hugo Stamm
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Besprechung Huffington Post
Karin Badt
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Besprechung Variety
Alissa Simon
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